Wie lernen Organisationen – jenseits von Seminaren und E‑Learnings?
Diese Fragen gewinnen in Zeiten des demografischen Wandels, des Fachkräftemangels und tiefgreifender Transformationen zunehmend an Bedeutung. Viele Organisationen stehen aktuell vor der Herausforderung, dass in den nächsten Jahren ein großer Teil der Belegschaft in den Ruhestand geht. Mit ihnen droht auch wertvolles Erfahrungswissen, echtes Know-how und still gelebte Könnerschaft verloren zu gehen.
Wissen sichern reicht nicht – wir müssen verstehen, wie gelernt wird
Naheliegend ist die Frage: Wie können wir vorhandenes Wissen erhalten?
Doch die eigentliche Hebelwirkung liegt tiefer: Wie funktioniert Lernen heute überhaupt in unserer Organisation – ganz alltäglich, ganz nebenbei?
Denn Lernen ist längst mehr als formale Weiterbildung. Es findet oft dort statt, wo es niemand „offiziell“ geplant hat: im Austausch unter Kolleg:innen, bei einem schnellen Feedback, in Projekt-Reviews, in Online-Chats oder Co-Creation-Runden.
Das Lernökosystem: Lernen sichtbar machen – dort, wo es wirklich geschieht
Um diese unsichtbaren, aber wirksamen Lernprozesse aufzudecken, braucht es einen Perspektivwechsel. Der Begriff Lernökosystem beschreibt diesen erweiterten Blick:
Ein Lernökosystem erfasst, wie formelle und informelle Lernräume, Wissensnetzwerke, Tools und Praktiken miteinander verwoben sind – und wie daraus gemeinsames Lernen entsteht.
Zur Analyse und Reflexion des eigenen Lernökosystems können sich HR- und L&D‑Teams unter anderem diese Fragen stellen:
- Wo im Arbeitsalltag entstehen bereits heute relevante Lernerfahrungen – jenseits von formalen Angeboten?
- Welche Personen oder Teams sind Schlüsselakteur:innen im Wissensaustausch – ohne dass sie offiziell als „Expert:innen“ benannt sind?
- Welche digitalen und analogen Räume (z. B. interne Plattformen, Projekttreffen) fördern bereits implizit das Lernen?
- Gibt es formale Lernangebote, die an den tatsächlichen Bedürfnissen oder gelebten Praktiken vorbeigehen?
- Wo liegen bisher ungenutzte Potenziale für Co-Creation und gemeinsames Lernen?
Was ein gut verstandenes Lernökosystem zeigt:
- Welche Lernorte und ‑situationen in der Organisation existieren (z. B. Retrospektiven, Peer-Austausch, Mentoring),
- Welche Lernformate und Medien effektiv genutzt werden (z. B. Communities, Onboardings, Shadowing),
- Wer die zentralen Träger:innen von Wissen und Vernetzung sind – auch jenseits formeller Strukturen.
Lernen als Katalysator für Veränderung und Innovation
Gerade in Change-Prozessen zeigt sich:
Lernen ist nicht nur Reaktion auf Wandel – sondern seine Voraussetzung.
Ein bewusst gestaltetes Lernökosystem fördert die Fähigkeit von Teams, sich auszutauschen, neues Wissen zu generieren und Innovation gemeinsam voranzutreiben.
Dort, wo Lernen als kollektiver Prozess verstanden wird, entstehen Räume für Reflexion, Dialog – und Zukunftsgestaltung. Nicht weil jemand es anordnet, sondern weil Strukturen es ermöglichen.
Fazit
Wer das Lernökosystem der eigenen Organisation sichtbar macht, legt den Grundstein für eine Kultur des gemeinsamen Lernens, des Teilens und der Innovation. Es ist kein Tool – sondern ein strategisches Verständnis dafür, wie Lernen heute wirklich funktioniert.